Wir säen das Interesse für samenfestes Bio-Saatgut unter den Verbrauchern

Die Firma lehmann natur hat sich bereits 1988 der Idee verschrieben, allen Endverbraucherinnen und -verbrauchern den Genuss von nachhaltig angebautem Bio-Obst und -Gemüse zu ermöglichen. Seither ist viel passiert. Während Bio erfolgreich den Weg aus der Nische gefunden hat, hat der in Meerbusch ansässige Großhändler eigene Finkas in Spanien in Betrieb genommen und erfolgreich auf Demeter und Permakultur umgestellt. Statt als reines Ein- und Verkaufsunternehmen versteht sich lehmann natur selbst als Produzent – und als Vorreiter für nachhaltige Landwirtschaft. In diesem Jahr hat die Firma ihre eigene Saatgut Marke „LEHMANNS Bio-Saaten“ gelauncht. Wie kam es dazu? Darüber hat unsere Kommunikationsverantwortliche Ina Hiester mit Christina Marandi, Leitung Qualitätsmanagement, und Lisa Kadagies, Kommunikations- und Nachhaltigkeitsverantwortliche, gesprochen.

Wie kommt es dazu, dass lehmann natur sich für Bio-Saatgut engagiert?

Christina Marandi: Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe, die uns bei lehmann natur dazu bewegt haben, uns für Bio-Saatgut stark zu machen. Zum einen benötigen wir jedes Jahr für unsere eigenen Fincas in Spanien, auf denen wir auf 135 Hektar Orangen, Granatäpfel, Pomelo, Kaki, Kumquats und Avocados anbauen, qualitativ hochwertiges Saatgut, idealerweise in Bio- oder Demeter-Qualität. Und das ist manchmal gar nicht so leicht zu bekommen. Zum anderen führen wir regelmäßig Audits bei unseren Lieferanten durch. Die Frage, welches Saatgut verwendet wird, ist fester Bestandteil unseres Fragenkataloges – und viel zu häufig lautet die Antwort, dass auf konventionelles, wenn auch nicht-gebeiztes Saatgut zurückgegriffen wird.

Beides muss sich ändern: sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Bio-Saatgut sind noch zu gering. Wir von lehmann natur sind davon überzeugt, dass Bio von Anfang an gedacht werden muss, vom Samenkorn bis auf den Teller.


Seit Beginn diesen Jahres gibt es im deutschen Handel nun Ihre Marke „LEHMANNS Bio-Saaten“. Woher beziehen Sie Ihre Samen, wie sieht Ihr Sortiment aus, und wo gibt es die Produkte zu kaufen?

Christina Marandi: Unser Saatgut beziehen wir aus Portugal, von Sementes Vivas. Hier wird der Großteil des Saatgutes gezüchtet und vermehrt. Die Kräuter-Samen stammen aber zum Teil von der Sekem-Farm in Ägypten, wo seit über 40 Jahren biologisch-dynamische Pionierarbeit geleistet wird. Wir haben insgesamt über 30 verschiedene Produkte in unserem Samen-Sortiment, darunter auch Fruchtgemüse und Blumen.

Als Verkaufshilfe gibt es entweder unser großes Display, welches alle Sorten enthält, oder ein auf 10 Sorten reduziertes Display. Je Display sind mindestens die Hälfte der Produkte bereits Demeter-zertifiziert, zwei Sorten sind derzeit in Umstellung auf Demeter, was auf der Verpackung auch entsprechend gekennzeichnet ist. In dieser Saison waren unsere Saaten in ca. 2.100 Märkten in Deutschland erhältlich. Zudem ist unser komplettes Sortiment auch über unseren Online-Shop bestellbar.

Obwohl lehmann natur einer der größten Bio-Obst und Gemüsehändler in Deutschland ist, waren Sie als Großhändler für die Endverbraucher bisher wenig sichtbar. Was hat Sie bewogen, für Bio-Saatgut eine eigene Marke zu kreieren?

Christina Marandi: Lehmann natur ist Bio-Pionier seit 1988. Wir haben eigene Permakultur-Farmen in Spanien, hohe Qualitätsansprüche und enge Verbindungen zu unseren Lieferanten. Mit unserer Expertise und unserem jahrzehntelangen Engagement im Bio-Sektor müssen wir uns nicht hinter den Supermarkt-Marken verstecken.

Lisa Kadagies: „LEHMANNS Bio-Saaten“ bringt uns zudem Nähe zum Verbraucher und somit auch die Möglichkeit, Transparenz und Aufklärung rund um das Thema Saatgut zu schaffen. Den direkten Austausch mit den Konsumenten über unseren Social Media Kanal führen wir selbst. Das ist für uns ganz neues Terrain und wahnsinnig spannend und lehrreich.

Mehr Bio und Demeter in deutschen Gärten und auf deutschen Balkonen ist natürlich toll – aber wie können auch mehr Landwirte davon überzeugt werden, samenfestes ökologisches Saatgut zu verwenden?

Christina Marandi: Die meisten Landwirte tun das, was der Markt von ihnen fordert. Wenn niemand Lebensmittel aus samenfestem, biologischem und biodynamischem Saatgut nachfragt, dann mangelt es natürlich auch an der Bereitschaft, entsprechendes Saatgut – falls überhaupt vorhanden – trotz der meist höheren Kosten zu verwenden. Ein Teufelskreis, denn dann fehlt es auch an finanziellen Mitteln, damit Forschung, Entwicklung, Züchtung, Produktion und Vermarktung von Bio-Saatgut wirtschaftlich werden können. Der Druck muss also vor allem vom Markt kommen. Und wenn samenfeste Produkte dann im Laden erhältlich sind, müssen ihre Vorzüge gut kommuniziert werden. Aber auch zusätzliche Finanzmittel sind wichtig: einer unserer LEH-Kunden finanziert zum Beispiel die Züchtung samenfester Karotten.

Lisa Kadagies: Mit „LEHMANNS Bio-Saaten“ wollen wir zugleich beim Endverbraucher die Nachfrage nach, als auch das Bewusstsein für Bio-Samen stärken und eine enge Verbindung von Mensch und Natur schaffen. Unsere Samen sehen wir als ersten Schritt in unserer Saatgut-Strategie. Wir säen hiermit sozusagen das benötigte Interesse bei den Verbrauchern.

Welche Rolle spielt samenfestes Saatgut im Zusammenhang mit Permakultur?

Christina Marandi: Permakultur verstehen wir als landwirtschaftliches, biodiverses System, in dem Pflanzen und Tiere in intakten Ökosystemen miteinander im Einklang leben. Idealerweise können sich solche Ökosysteme mit nur minimalem menschlichen Zutun selbst erhalten. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn die Pflanzen auch in der Lage sind, sich zu vermehren, also samenfest sind.

Über viele Jahre hinweg haben wir offizielle, erprobte und funktionierende Permakultur-Richtlinien entwickelt – die Verwendung von Bio-Saatgut und samenfesten Sorten gehört hier selbstverständlich mit dazu. Die Richtlinien haben wir inzwischen durch unseren Verein „Gesellschaft für Permakultur in der Landwirtschaft“ GePeLa e. V. veröffentlicht.

Wie geht es bei lehmann natur in Sachen Bio-Saatgut weiter?

Christina Marandi: Die Markteinführung unserer Bio-saaten war für uns alle eine aufregende Zeit. Nun ist die Saatgut-Saison zu Ende und wir müssen unsere Retouren sortieren, die wir im nächsten Frühjahr erneut anbieten können – denn das Saatgut wird ja nicht schlecht. Das ist für uns als Obst- und Gemüsehändler völlig ungewohnt! Gleichzeitig bleiben wir natürlich mit unserer Community im Kontakt, die inzwischen schon ihre ersten Früchte erntet. Nächstes Jahr wird es dann spannend: werden noch weitere Märkte unser Saatgut in ihr Sortiment aufnehmen? Gemeinsam mit Sementes Vivas sind wir jedenfalls für weiteres Wachstum gut gewappnet.